Andrij Kurkow ein erfolgreicher Schriftsteller

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Foto: WDR

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und dem Bombardement von Kyiv, Mariupol sowie anderen Städten, wurde klar: Zu lange haben wir über den Krieg im Donbass, die Besetzung der Krim und die unmissverständliche Ankündigung Putins hinweggesehen, die Ukraine als selbstständigen Staat, als ein Land mit jahrhundertalter kultureller Tradition auslöschen zu wollen. Die Eigenständigkeit der ukrainischen Kultur, der Literatur wurde bis zum Kriegsbeginn kaum wahrgenommen.

Nun hat sich das verändert und in den letzten Monaten wurden zahlreiche Werke ukrainischer Autorinnen und Autoren veröffentlicht. Sie erzählen von der Geschichte, den Konflikten und den Lebensumständen des Landes; sie zeigen Innenansichten, die helfen, die Vergangenheit und vor allem auch die Gegenwart des Krieges zu verstehen, der geradezu eine Welle an Veröffentlichung ukrainischer Literatur ausgelöst hat.

Zu den bedeutenden, sehr lesenswerten Autoren der Ukraine gehört Andrij Kurkow, der seit seiner frühesten Kindheit in Kyiv lebt und zahlreiche Romane veröffentlicht hat. Mit großem Erfolg erschienen unter anderem die Werke „Picknick auf dem Eis“, „Pinguine frieren nicht“, „Samson und Nadjeschda“ oder „Graue Bienen“. In diesem 2019 bei Diogenes erschienen Roman schildert er mit großer Anschaulichkeit den lebensgefährlichen Alltag der Zivilbevölkerung im Donbass und den verzweifelten Versuch des Bienenzüchters Sergej, das dortige Kriegsgeschehen auszublenden. „Nichts sehen, nichts hören – sich raushalten“ ist zunächst sein Motto, bevor er sich mit seinen Bienen auf den Weg in Richtung Westen macht, um sie fernab vom Krieg frei fliegen zu lassen. Kurkows faszinierende Romane sind durch einen ironischen, scharfen, aber durchaus liebevollen Blick auf das Leben in der postsowjetischen Gesellschaft geprägt. In oft surreal anmutenden Situationen schildert er Alltag und Herausforderungen seiner Figuren. Er erzählt ernst, witzig, aufklärerisch und höchst unterhaltsam von Schmerzhaftem, von Hoffnung und Mut, und spannt einen Bogen vom Gestern ins Heute. Für seine letzte Veröffentlichung, „Tagebuch einer Invasion“, erhielt Kurkow den renommierten
Geschwister-Scholl-Preis 2022.

Die Jury würdigte ihn mit den Worten, er habe es sich „zum Ziel gesetzt, gegen das weitverbreitete Unwissen über Geschichte und Kultur der Ukraine, auf das er in den westlichen Gesellschaften stößt, anzukämpfen“.

Andrij Kurkow sucht und findet Worte in einer zivilisatorischen Katastrophe, in einer Zeit, die droht, uns sprachlos werden zu lassen.
Da schreibt ein mitfühlender Mensch, im Dienst der Aufklärung legt ein literarisches Zeugnis der brutal in den ukrainischen Alltag eingebrochenen Aggression ab. Der Kampf der Ukraine um Selbstbestimmung wird in seinem Werk begreifbar. Eine lohnenswerte Lektüre.

Sigi Scheidereiter

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